In aller Regel sind japanische Sammler sehr verschwiegen. Es liegt in der Kultur des Landes, sich abzuschotten und unter sich zu bleiben. Die Privatsphäre ist sehr wichtig in Japan, manche Besitzer mögen es zum Beispiel nicht, wenn auf Fotos von Ausfahrten ihr Gesicht oder die Nummernschilder ihrer Klassiker zu sehen sind. Als Folge werden quer durch Japan viele Autos in Privatsammlungen regelrecht versteckt. So hielt es anfangs auch ein gewisser Herr Ito. Er startete seine Kollektion mit einem Alfa Romeo TZ, TZ2 und Toyota 2000GT. Der 2000GT war obligatorisch, verdiente Ito-san doch ein kleines Vermögen mit einer Reihe von Toyota Händlerbetrieben in seiner Region. Der 2000GT blieb ein wichtiger Bestandteil seiner Sammlung und er ist auch Mitglied im exklusiven 2000GT Owner’s Club.
Die Idee zu einem Museum kam auf, weil Ito als einer der wenigen Personen aus Japan, der einen Alfa Romeo TZ2 besaß, immer mehr Anfragen für eine Besichtigung des Autos erhielt. Wohlgemerkt, das war vor Social Media und dem Internet. Daher nehme ich an, dass diese Anfragen noch per Fax eingingen. So oder so wurde es Ito zu viel – und er lenkte er ein: Im Mai 1990 wurde das Shikoku Automobile Museum eröffnet, zehn Jahre nach dem Aufbau seines Toyota Vista Netz Händlernetzwerks. Zunächst ging es dem Museum nur um eine „regionale Revitalisierung”; gezeigt wurden anfangs die eingangs erwähnten Alfa TZ/TZ2 und natürlich der Toyota 2000GT.
Über die Jahre wurde das Museum immer bekannter und beliebter, denn sie Zahl der Exponate nahm ständig zu. Ito-san begann, für sein Museum Autos aus der ganzen Welt zusammen zu holen. Einer seiner bekanntesten Erwerbungen war der nur einmal gebaute Cizeta Fenice TTJ Spider. Damit wollte die inzwischen nicht mehr existierende Nakamichi Audio Company ihr In-Car-Audiosystem demonstrieren. Ito-san kaufte das Modell während Nakamichis Liquidationsverfahrens. Im letzten Herbst verkaufte er das Auto an einen „berühmten Sammler aus Nagoya”.
In den drei Jahrzehnten seit Eröffnung des Museums haben Ito-San und seine Museumsleiter einige der schönsten und seltensten Fahrzeuge unter einem Dach versammelt. Aktuell sind es rund 30 perfekt präparierte Exponate. Es gibt keine Füller und kein Auto steht außer der Reihe oder abseits. Denn jedes Fahrzeug wurde aus einem speziellen Grund erworben, als Repräsentation eines Mannes, dem in Japan ein ganz besonderes Stilempfinden attestiert wird. Ein Rundgang durch das ganze Museum wäre zu lang, doch stellen wir Ihnen heute gerne unsere zehn persönlichen Highlights aus dem Shikoku Automobile Museum vor.
Alfa Romeo TZ2
Es wäre unpassend, nicht mit dem TZ2 zu beginnen. Dies ist allerdings nicht jener TZ2, mit dem Ito-san seinerzeit begann; er hat ihn inzwischen weiterverkauft. Doch fühlte er danach ein großes Loch in seiner Sammlung und machte sich schnellstens auf die Suche nach einem Ersatz. Seinen ersten Fund nutzte Polyphony als Vorlage für das in Gran Turismo 5 eingesetzte Konsoleauto. Das hier ausgestellte Fahrzeug ist der einzige bekannte TZ2 in Japan und sicher ein Hauptgrund, das Shikoku Automobile Museum zu besuchen.
Alfa Romeo 155 TI
In einem Land, in dem historische Formel 1, Gruppe C Le Mans-Autos und natürlich japanische Tourenwagen leicht zu sammeln und zu bestaunen sind, wirken europäische Tourenwagen und ganz speziell solch ein DTM-Bolide aus den 1990er-Jahren deutlich exotischer. Daher ist für mich dieser damals von Alessandro Nannini pilotierte Werks-Alfa Romeo 155 V6 Ti ein echtes Highlight.
Ferrari 206S
Vor dem 206GT und 246GT gab es den Ferrari 206S. Jener Rennwagen, der später den Weg freigab für die V6-Straßenwagen, wobei hier im Gegensatz zu den Serienmodellen der V6 längs eingebaut ist. Dieses Modell soll einer von nur zwölf „Spider”-Varianten des 206S sein. Ein weiteres Exemplar in NART-Farben steht im Raum Tokio.
Toyota 2000GT
Die beiden im Shikuku Museum ausgestellten 2000GT sind Linkslenker. Das hier abgebildete weiße Auto ist ein frühes Modell und fand den Weg aus den USA zurück nach Japan. Es wurde von einem amerikanischen Händler bestens gepflegt und blieb innen wie außen absolut originalgetreu. Die Geschichte des roten Autos am Eingang ist dagegen undurchsichtiger. Ebenfalls ein Exportmodell, hat es den größeren Ölkühler des MF12L, von dem nur neun Prototypen gebaut wurden und der nicht in Serie ging. Daneben hat er einen DOHC-Motor, im Gegensatz zu den SOHC 2,3-Liter-Triebwerken, die in den meisten linksgelenkten Exportversionen arbeiteten. Um die Verwirrung perfekt zu machen, trägt das Chassis die Nummer MF10-10001, was auf ein frühes Modell hindeutet. Auf Anfragen des Museums nach diesem Auto antwortete Toyota, dass es sich um ein Exemplar „für besondere Einsatzwecke” gehandelt habe. Heute steht es am Eingang, um die Besucher zu begrüßen.
Ferrari 365GTB/4 Competizione
Es gibt nur 15 365GTB/4 Competizione, doch dieser ist noch etwas spezieller als alle anderen. Denn wo sonst das Cavallino Rampante von Ferrari prangt, sitzt nun ein Wappen, das sich am treffendsten als „tanzendes Schwein” beschreiben lässt. Genannt „Burrari”, eine Zusammensetzung aus buta (das japanische Wort für Schwein) und Ferrari, geht es auf einen Scherz mit Ito-sans Freunden zurück. Der das Wappen dann für den Competizione beibehielt.
Alfa Romeo 1300 Junior GTA
Dieser spezielle GTA ist ein Gruppe 5 Semi-Werks-Monzeglio Exemplar mit aggressiveren Kotflügeln, die ebenso wie die Hauben und Türen aus GFK gefertigt wurden. Zwischen 1968 und 1972 wurden 447 Einheiten des 1300 GTA hergestellt; 300 wurden zu Corsa Varianten und dominierten die Tourenwagenklassen jener Zeit.
Lamborghini Countach LP400
Den Platz des gelben Cizeta Spiders auf der zentralen Bühne des Museums hat ein (ebenfalls gelber) Countach LP400 übernommen. Ein frühes „Periscopio” Exemplar, das das puristische Design besonders gut zur Geltung kommen lässt. Es mag nicht so dramatisch wirken wie die späteren Ausführungen mit ihren starren Heckspoilern und den ausgestellten Kotflügeln, doch liegt eine zeitlose Schönheit in der Simplizität des LP400. Japan liebt den Countach, speziell die späteren Modelle, weil sie parallel zum wirtschaftlichen Aufstieg des Lands erschienen. Daher ist es nicht selten, hier diverse 5000 QV oder 25-Jahre-Jubiläumsmodelle zu sehen. Doch der LP400 bleibt selbst in einem so Lamborghini-verrückten Land eine Seltenheit.
Ford RS200
Die Geschichte des Ford RS200 ist fast so traurig wie die der Gruppe B. Er erschien erst zur Spätphase dieser heroisch-tragischen Epoche des Rallyesports, ging binnen eines halben Jahres nur noch bei vier WM-Läufen an den Start. Mit einem dritten Platz bei der Rallye Schweden als bestes Resultat. Für die Homologation baute Ford rund 200 Straßenversionen, von denen ein nicht unerheblicher Teil den Weg nach Japan fand. Allerdings werden heute kaum noch welche auf der Straße bewegt – denn jedes Teil des RS200 war einzigartig und wurde nur für ihn hergestellt.
Alfa Romeo SZ
Von rund 1000 produzierten SZ wurden 100 offiziell nach Japan importiert. Dieser Alfa mag nicht die Anmut und Eleganz traditioneller italienischer Exoten besitzen, doch steht seine spezielle Präsenz außerfrage. Er war sehr ein „Kind seiner Zeit” und bleibt neben vielen anderen Alfa Romeo einer meiner Favoriten.
Lancias
Last but not least finden sich am Ende des Rundgangs noch einige exquisite Modelle von Lancia. Auch wenn der Stratos und Delta S4 jeweils für sich betrachtet schon unglaublich sind, gilt der Werks-037 aufgrund seiner brillanten „Schlachthistorie” als wertvollstes Modell der ganzen Sammlung.
Natürlich wären da noch viele weitere faszinierende Autos, die alle ihre eigene Geschichte haben und ihren eigenen Zweck erfüllten. Wie die frühen Toyota-Modelle, die eine Hommage an Ito-Sans Händlervergangenheit sind. Das Museum mag weit außerhalb von Tokio liegen - eine rund zehnstündige Autofahrt – doch ist es in dreieinhalb Stunden von Kobe zu erreichen. Ich empfehle einen Besuch des Shikoku Automobile Museums, wenn Sie einen freien Tag in diesem Teil Japans haben. Selten ist ein Museum so sorgfältig und mit einer großen Liebe zu Autos zusammengestellt. Kommen Sie für die Autos, und genießen Sie die Ausblicke entlang der Anreise.
Text und Fotos: Ken Saito für Classic Driver © 2021