Der Erwartungshorizont erweitert sich jedes Mal gewaltig, wenn eine Einladung aus dem Porsche Museum in unsere Inbox flattert. Im letzten Jahr zum Beispiel hatte ich die nur einmal im Leben gebotene Chance, elf Porsche 917 in Zuffenhausen aus Anlass des 50. Geburtstags des Modells in Zuffenhausen zu fotografieren.
2020 liegen die Dinge in Stuttgart noch etwas anders, denn diesmal muss Porsche gleich drei Geburtstagstorten backen. Der 718 RS 60 Spyder wird 60, der 911 Turbo der „993“-Generation 25 und der 918 Spyder zehn Jahre alt. Eine gemeinsame Geburtstagsfete wurde anberaumt, und ich gehörte zu den wenigen Glücklichen, die eine Einladung erhielten. Natürlich musste man mich nicht zweimal bitten...
Auch wenn wir nur statische Bilder aufnehmen konnten, war die Präsenz der fünf Autos (die 993 Generation wurde repräsentiert von einem Turbo, Turbo S und einer GT2-Rennversion) stark genug, um bei mir jegliche Bedenken zu zerstreuen. Wir kamen sehr schnell überein, dass Gruppenbilder sehr wichtig waren, es jedoch auch Sinn machen würde, die Auto zu trennen und sie an unterschiedlichen Stellen der Stuttgarter Garage 229 abzulichten. Dahinter verbirgt sich die gut 70 Jahre alte und im Art Deco-Stil errichtete Werkstatt eines ehemaligen Opel-Familienbetriebs, die heute als Event Location dient.
Auf den ersten Blick würde man den Porsche RS 60 und den 918 Spyder nicht nebeneinander stellen. Und so sah es auch unser ursprünglicher Plan nicht vor. Doch trotz des Altersunterschieds von 50 Jahren sind sie sich in manchen Bereichen erstaunlich ähnlich.
Wegen seiner Fähigkeit, regelmäßig deutlich größere und PS-stärkere Konkurrenten auf der Rennstrecke zu düpieren bald „Gigantenkiller“ genannt, war der 718 RS60 ein weitaus ausgefeilteres Renngerät als der Vorgänger RSK. Pilotiert von Renngrößen wie Stirling Moss, Graham Hill und Hans Herrmann nahmen die RS 60 in der Langstrecken-WM-Saison 1960 den Kampf gegen Ferrari auf und kamen in Sebring und bei der Targa Florio sogar zu Gesamtsiegen. Am Ende des Jahres waren beide Konstrukteure punkgleich – schließlich holte Ferrari aufgrund der größeren Zahl an Podiumsplätzen die Trophäe.
Der 918 Spyder wurde dagegen niemals im Motorsport eingesetzt, bleibt aber bis heute eines der wildesten Supercars aller Zeiten. Als der 918 vor nunmehr einem Jahrzehnt und noch als Prototyp in Genf enthüllt wurde, drehten sich die meisten Gespräche um seinen hybriden Antriebsstrang. Der kombinierte 608 PS aus einem V8-Saugmotor mit zwei 143 PS starken Elektromotoren. Bis dahin hatte noch niemand Elektromobilität mit emotionalem Fahren verbunden und ich weiß nicht, ob es übertrieben ist zu sagen, dass dieser Wagen den Weg für den Aufstieg von Hybrid-Power im Rennsport bereitet hat. Heute ist sie von der Formel 1 über die Sportwagen bis auch zum Rallyesport gang und gäbe.
Der RS 60 mag im Vergleich zum 918 zwergenhaft wirken, doch ist er ein sehr imposantes Biest, speziell wenn man sein Alter berücksichtigt. Der nur 16 Mal gebaute Spyder schafft es, sowohl federleicht als auch extrem potent auszusehen. In seiner Gegenwart kommt man nicht umhin sich vorzustellen, wie Moss mit der silbernen Kugel präzise über die sizilianischen Bergstraßen schoss, den bellenden Fuhrmann-Motor im Rücken. Das Viernockenwellen-Triebwerk war zwar nicht mehr der jüngste Motor im Porsche-Regal, doch ein Meisterwerk des Motorenbaus und daher auch nur den besten Rennwagen aus Zuffenhausen – darunter der Spyder – vorbehalten.
Der 1995 auf dem Genfer Salon vorgestellte 911 Turbo der 993-Generation markiert zugleich den Beginn wie das Ende einer Entwicklung: denn er war der erste 911 Turbo mit zwei Turboladern und der letzte mit Luftkühlung. Speziell letztere Tatsache sichert dem Modell einen herausgehobenen Platz in Porsches illustrem Geschichtsbuch. Als Nachfolger des landauf landab beliebten 964 hatte es der 993 zunächst nicht ganz einfach. Ich finde, dass er noch heute durch ein sehr modernes und sehr schön gealtertes Design besticht.
Es ist eine Frage des persönlichen Geschmacks, ob man den „normalen“ Turbo oder den selteneren Turbo S vorzieht (6.001 gebaute Exemplare stehen nur 336 gegenüber), doch beide haben massig Sex Appeal. Ich habe immer den Carrera 2S verehrt, doch hat der allradgetriebene Turbo das gewisse Etwas, das ihn vom Rest der Baureihe nochmals abhebt. Vielleicht ist es der Heckspoiler? Die 1990er-Jahre waren ein Jahrzehnt mit eher weichen Formen und Linien, und die hier zur Schau gestellten Spoiler sind auf ganz neue Art kurvenreich wie sexy.
Mit auf 450 PS angehobener Leistung und Heckantrieb verfolgt der GT2 ein gänzlich anderes Konzept. Sind die straßenzugelassen Turbos diskret, so ist der GT Heavy Metal. Von den extrem weit ausgestellten und vernieteten Kotflügelverbreiterungen bis zum hoch aufragenden Heckflügel dient alles nur einem Zweck: maximale Geschwindigkeit. 2016 wurde ein extrem seltener und sehr originalgetreuer 993 GT2 in Riviera Blue – den ich zuvor noch mit großer Freude fotografieren durfte – bei einer Auktion für 2,2 Millionen Euro versteigert. Was beweist, wie stark diese so speziellen Porsche nachgefragt sind.
Ich bin froh darüber, dass Porsche sich dazu entschlossen hatte, diese Meilensteine der Markengeschichte gemeinsam zu feiern, trotz der anfangs so unterschiedlich wirkenden Einzeljubilare. Und dankbar dafür, dass die Jungs vom Porsche Museum mir die Chance gaben, sie alle für Sie zu fotografieren. Wenn ich ein Modell aus dem Quintett auswählen dürfte? Die Wahl fiele zwischen RS 60 und 993 GT. Beide trage ich in den luftigeren Regionen meines Herzens, doch am Ende könnte der Dinner Table-Heckspoiler des GT den Ausschlag geben. Ich bin schon jetzt gespannt, was das Museum für 2021 im Petto hat.
Photos: Rémi Dargegen © 2020