Dunkle Wolken über Chantilly
Der sich verdunkelnde Himmel über der prachvollen Gartenanlage von Schloß Chantilly verhieß nichts Gutes: Mit jeder grauen Wolke schwand die Hoffnung, dass die dritte Ausgabe der Chantilly Arts & Elegance ohne Regen über die Bühne gehen würde. In Erwartung eines zünftigen Schauers begann auf dem weitläufigen Gelände auch alsbald ein hektisches Treiben. Behelfsmäßig wurde der just für die Jury-Bewertung aufpolierte Alfa Romeo 8C 2300 Spider von 1932 unter ein beweglichen Gartenpavillon gerollt, um das Schlimmste zu verhindern. Mit Erfolg, wie sich allerdings erst später herausstellen sollte – denn der rote Flitzer mit dem berühmten Reihen-Achtzylinder von Ingenieurslegende Vittorio Jano wurde Sieger in seiner Klasse.
Glück hat, wer bei Regen eine Rückbank besitzt
Doch trotz der vereinzelten Schauer ließen sich die Teilnehmer, die Jury und die über 10.000 angereisten Gäste die gute Laune nicht verderben. Das US-amerikanische Sammlerehepaar Merle und Peter Mullin nahm es mit Humor – und während eines spätsommerlichen Regengusses einfach im Fond seines Citroën DS 19 Majesty Platz. “Man muss das Wetter eben nehmen, wie es kommt”, sagt der Gründer des Mullin Automotive Museum in Oxnard und verriet: “Wissen Sie, wir haben in dieser Limousine noch nie hinten gesessen und ich bin Überrascht, wie formidabel es sich hier aushalten lässt.”
Eine gewagte Mischung
In diesem Jahr wirkten die Concours-Klassen allerdings etwas wild zusammengewürfelt. Neben typischen Kategorien, in denen die Meisterwerke des französischen Karosseriebaus oder verschwundene Britische Marken gewürdigt wurden, traten auch weniger elegante Automobile in den Wettstreit um den Titel “Best of Show”. Die Rennwagen aus dem Pozzi-Rennteam oder in der Tribut-Klasse für Jean Todt waren interessant, wirkten aber vor der Kulisse des Schlosses ein wenig deplaziert. Zu denken gab auch die Entscheidung des Auswahlkomitees, Repliken wie den Nachbau eines Frazer-Nash Le Mans-Rennwagens aus dem Jahr 1954 innerhalb der Konkurrenz zuzulassen. Abgesehen von diesen Kritikpunkten konnten die Organisatoren jedoch eine schöne und spannende Auswahl großer Automobilklassiker in Chantilly zusammenbringen.
Seltene Concours-Gäste
Vor allem bei den Automobilclubs gab es einiges zu bestaunen – vom Renault Gordini bis hin zu einem Aston Martin DB 4 GT Zagato Sanction II waren zahlreiche spannende Klassiker vertreten. Es ist immer wieder überraschend, welche Schätze in französischen Garagen parken, die man fast nie außerhalb Frankreichs zu Gesicht bekommen würde. Und es ist stets eine Freude, Autos in Natura zu entdecken, die man nur aus der Literatur kennt – wie beispielsweise den Prototypen eines Citroën SM Coupés mit Frua-Karosse. Mit der roten GT-Studie wollte der italienische Karosseriemeister seine Vision der französisch-italienischen Partnerschaft zwischen Citroën und Maserati vorstellen.
Es kann nur einen “Best of Show” geben
Der diesjährige Sieger der Chantilly Concours Arts & Elegance ist der wunderschöne Alfa Romeo 8C 2900 B Lungo Berlinetta. Das elegante Coupé stammt aus der Sammlung des ehemaligen Microsoft-Präsidenten Jon Shirley. Die Entscheidung für den Alfa scheint absolut gerechtfertig, allerdings hat die Jury mit dem großen Klassiker eine “Safe Card” gespielt. Das zum Teil exzellente Starterfeld hätte auch eine etwas couragierte Entscheidung vertragen.
Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2016