Die Kinder, die das Poster eines Lamborghini Countach an der Wand ihres Zimmers hatten, sind jetzt alt genug, um einen zu fahren. Und dieser hier sollte sie glücklich machen, erstens wegen seiner außergewöhnlichen Besitzgeschichte und zweitens, weil es sich um ein Exemplar aus der 25-Jahre-Jubiläumsedition handelt, die begehrteste von allen.
Gautier Rossignol, Leiter der Automobilabteilung des Auktionshauses Aguttes, das diesen Countach 25 Anniversario am 26. Juni in Paris versteigern wird, stimmt dem voll und ganz zu: „Dieser Wagen wurde von Gerhard Berger, einem der besten Formel-1-Fahrer, Teamkollege von Senna, Mansell und Alesi und Dritter der Weltmeisterschaften von 1988 und 1994, neu gekauft. Er behielt ihn mehr als zehn Jahre, bevor er ihn an seinen jetzigen Besitzer verkaufte, der ihn seither 21 Jahre lang gewissenhaft gepflegt hat... Es ist also eine wirklich einzigartige Gelegenheit, einen der mythischsten Supersportwagen der späten 1980er Jahre zu erwerben. Den letzten und gelungensten handgefertigten Lamborghini mit einer geringen Kilometerleistung, einer großartigen Abstammung von nur zwei Besitzern und einer akribischen Wartungshistorie.“
Obwohl er in den 1970er-Jahren designt wurde, gilt der Countach als DER archetypische Supersportwagen der 1980er Jahr und in dieser Hinsicht als würdiger Erbe des Miura und perfekte Verkörperung dessen, was man von einem Lamborghini erwartet: Überschwang, atemberaubende Leistung und überaus markantes Design. Dazu kommen extravagante und berühmte Besitzer, und schon ist das Bild komplett. So bleibt der Countach für viele Enthusiasten immer noch der ikonische Lamborghini schlechthin.
Die Geschichte des Countach begann schon 1971 auf dem Genfer Automobilsalon. Wo Lamborghini das vom längs eingebauten 5-Liter-V12 des Miura angetriebene Konzeptfahrzeug LP 500 vorstellte. Die Studie versetzte mit seiner sehr niedrigen Gürtellinie, der extremen Keilform und seinen scharfen Linien die ganze Welt in Erstaunen. Angesichts der großen Resonanz sah sich Lamborghini veranlasst, den Wagen in die Serienfertigung zu nehmen. Keine leichte Aufgabe, trat er doch in die Fußstapfen einer anderen Sportwagen-Legende, des Miura.
Es dauerte bis 1974, ehe der von Marcello Gandini für Bertone entworfene und von einem 375 PS starken 4,0-Liter-V12 angetriebene LP400 im Lamborghini Verkaufskatalog erschien. Wie die Genf-Studie wieder mit den spektakulär nach oben schwenkenden Scherentüren. Paolo Stanzani, der geniale Chefingenieur des Unternehmens, rückte das Fünfganggetriebe zurück bis zwischen die Sitze, und das Differential ans Heck. Im Vergleich zum Miura punktete der auf einem Gitterohrrahmen basierende Countach so neben einer besseren Schaltung mit einer günstigeren Gewichtsverteilung.
Die Bezeichnung „Countach” geht auf ein piemontesisches Slangwort zurück, das, mit leicht vulgärem Unterton, einen Ausruf der Verwunderung von etwas Außergewöhnlichem bezeichnet, etwa wie „geil“ oder „Wow“! Entstanden ist es laut Designer Gandini während der teils bis in die Nacht gegangenen Arbeiten am Showcar für den Genfer Salon von 1971. Ein Profiler aus dem Piemont, der nur im Dialekt sprach, habe sehr oft das Wort „Countach“ ausgerufen. In einer scherzhaften Stimmung sei die Idee aufgekommen, das Auto so zu nennen: Der Name (/ˈkuːntɑːʃ/) gefiel, nicht zuletzt wegen seiner guten Wiedergabe in anderen Sprachen. Eine von vielen anderen Versionen will wissen, dass Nuccio Bertone „Countach“ gerufen haben soll, als er den Wagen zum ersten Mal auf der Straße sah.
Der Countach durchlief in der Folgezeit zahlreiche Weiterentwicklungen. Dem puristischen LP 400 folgte 1978 der LP 400 S, mit aggressiveren Linien, einem optionalen Heckflügel und einem auf 355 PS gedrosselten Motor. 1982 brachte Lamborghini den LP 500 S mit modernisiertem Design und einem 4,7-Liter-V12 mit 375 PS auf den Markt, das Modell, das die Türen zum wichtigen amerikanischen Markt öffnete. 1985 folgte der LP 5000 QV mit seinem Quattro-Valvole-Motor (48 Ventile), der aus 5,2 Litern Hubraum 455 PS schöpfte.
Schließlich beschloss Lamborghini, sein 25-jähriges Firmenjubiläum 1988 anlässlich des GP von Italien in Monza mit der Vorstellung des „Countach 25 Anniversario" zu feiern. Ein 5000 QV, der bis 1990 in einer Auflage von nur 650 Stück aufgelegt wurde. Dies ist der Wagen, über den wir heute sprechen.
Wie Gautier Rossignol betont, ist das Styling des 25 Anniversario etwas fließender und verbirgt in Wirklichkeit ein ganz neues Auto: „Horacio Pagani, der damalige Hausstylist, hat die Linien des Wagens durch einen geänderten Frontspoiler, Seitenschweller mit integrierter Luftzufuhr für eine bessere Kühlung der Karbon-Scheibenbremsen und im Dachbereich angeordnete Kühlluftschlitze zur Optimierung der Luftzufuhr zu den Motorkühlern fließender gestaltet. Der 25-Jahre- Jubiläums-Countach ist bei weitem der kompletteste aller Countachs. Er enthält Hunderte von Änderungen, darunter ein modernisiertes Fahrwerk mit Input von Rallyestar Sandro Munari, ein komplett überarbeitetes Kühlsystem, OZ-Felgen mit neuen Pirelli P Zero-Reifen sowie Komfort-Features wie elektrische Fensterheber und eine Klimaautomatik.“
Mit seinen atemberaubenden Fahrleistungen (0 auf 100 km/h in 4,7 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 300 km/h) zog der 25 Anniversario Stars und Formel-1-Piloten wie Mario Andretti und Gerhard Berger an. Der Tiroler war der erste Besitzer des Wagens mit Fahrgestellnummer ZA9C005A0KLA12818, der nun von Aguttes zum Verkauf angeboten wird. Gautier Rossignol: „1988 belegte Gerhard Berger in seinem zweiten Ferrari-Jahr Platz drei in der F1-Weltmeisterschaft. Doch nach seinem spektakulären Feuerunfall 1989 in Imola und einem Sieg beim Großen Preis von Portugal kündigte er für 1990 seinen Wechsel zu McLaren an. Zu dem Zeitpunkt, als er nur noch drei Grand Prix mit Ferrari zu bestreiten hatte, bestellte er diesen, seinen zweiten Countach. Bevor er 1987 zur Scuderia kam, besaß er schon einen 5000 QV.“
Dieser Wagen, eine Europa-Version mit Vergasern, in der Farbe rot mit schwarzer Innenausstattung, wird mit Bergers Einkaufsraufrechnung und einer weiteren auf seinen Namen ausgestellten Rechnung für den Einbau einer Alarmanlage geliefert. Das Wartungsheft trägt einen Stempel für eine Revision im Jahr 1990, als der Wagen nur 2.183 Kilometer gefahren war. Er wurde dann 2002 bei Kilometerstand 11.000 an seinen jetzigen Besitzer verkauft. Dieser hat das Auto auf die bestmögliche Art und Weise gepflegt, durch regelmäßige und sorgfältige Wartung, die durch zahlreiche Rechnungen dokumentiert ist, überwiegend ausgestellt vom Lyoner Spezialisten Calderoni. Im Jahr 2016 investierte der Besitzer nicht weniger als 40.000 Euro in neue Felgen und einige kosmetische Arbeiten.
Mit knapp 40.000 km auf dem Tacho ist dieses Modell eine seltene Gelegenheit und ein Privileg, dritter Besitzer dieses spektakulären Lamborghini Countach zu werden. Unnötig zu erwähnen, dass mehr als ein Kind, das damals ein Countach-Poster an der Wand seines Zimmers hängen hatte, heute nur zu gerne seine leere Garage noch in diesem Monat mit genau diesem Traumwagen füllen würde…
Fotos: Baudouin Jager für Aguttes