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Wir streifen durch West London mit King Nerd in einem Jaguar XJ-S Lynx Eventer

Egal ob er Gravuren für die berühmten Purdey & Sons-Gewehre oder Sonderanfertigungen für Elton John oder Paul Smith fertigt, Johnny Dowell alias King Nerd sorgt mit seinen exklusiven Metallarbeiten für Furore. Wir verbrachten einen Tag in London an seiner Seite in einem Lynx Eventer.

London ist schon ein kurioser Ort: Nördlich oder südlich der Themse zu leben, zählt viel für jene, die in der Hauptstadt des Vereinigten Königreichs geboren und groß geworden sind. Für Johnny Dowell spielte sich das Leben fast ausschließlich im Westen Londons ab, er mit seiner Frau in den Norden der Metropole zog und eine Familie gründete. Wir sind mit Johnny zu einigen seiner „Schauplätze“ aus der Jugend gefahren und haben uns über die erstaunliche Lebensreise unterhalten, die von Kritzeleien in Schulbüchern zur Kunst, außergewöhnliche und exklusive Gravuren für einige der größten Marken zu entwickeln.

Cockney’s – pie and mash

Johnny, warum parken wir auf der Portobello Road vor einem Pie und Mash-Imbiss?

Das hat einen ganz einfachen Grund: Weil mir dieser Ort viel bedeutet. Meine Eltern und ich würden diese typisch englische Pastete vor einem Heimspiel der Queens Park Rangers essen. Oder wenn wir als Familie über den Portobello-Markt schlenderten. Wenn sie Zeit haben, gehen meine Mutter und Vater dort am Weekend hin – es ist für sie wie ein Date.

Diese Gegend spielt eine wesentliche Rolle bei der Familie väterlicherseits. Im Chip Shop gegenüber habe ich mit meinen Freunden nach der Schule eine Tüte Chips gekauft – es ist ein Stück Heimat.

Wenn mein Vater diesen Artikel lesen wird, gibt´s richtig Ärger. Er wird schimpfen und sagen: „Du darfst nicht mehr vor dieser Pie and Mash-Bude stehen. Du wohnst jetzt in Nord-London.“ Ständig sagt er sowas – „ich verstehe deinen Akzent nicht. Du hast jetzt dieses Nord-London-Näseln.“

Es ist erst 11.30 Uhr und schon hat sich eine Schlange gebildet. Ich überlege, aus welchen Pie-Optionen ich wählen soll, dann sehe ich das Menü: Es gibt nur Pie und dazu diese herrliche Masse namens Mash. Die Auswahl besteht in der Zahl der Pasteten und wie viel Mash man bestellen möchte. Man kann außerdem noch Alkohol, Soße oder Erbsen dazu ordern! 

Während wir unseren Imbiss genießen, parkt der Jaguar XJ-S, Lynx Eventer in der Nachbarschaft und sieht aus, als ob er schon immer hierher gehört hat.  „Wirklich cool“, findet Johnny. „Geparkt vor einem Pie and Mash-Laden, bekommt man mit dem Jaguar eine Art Schichtkuchen-Gefühl, oder? Alles ist unterschiedlich und passt doch in der Summe zu einander.“

 

Trellick Tower

Der berüchtigte Trellick Tower ist die imposanteste Struktur in der Skyline von West London, leider ist es nur eine Legende, dass James Bond-Schöpfer Ian Fleming von Erno Goldfingers Architektur so entsetzt war, dass er den Bond-Bösewicht nach ihm benannt hat. Es wäre eine so schöne Anekdote, wenn sie denn wahr wäre. Was allerdings der Wahrheit entspricht, ist, dass Goldfingers Bau ein wichtiges Werk des Brutalismus darstellt. Für Johnny besteht sogar eine noch tiefere Verbindung. „Mein Vater wohnte eine Weile zusammen mit einem Kumpel in den Trellick Towers. Das muss in den späten achtziger Jahren gewesen sein. Es war damals ein ziemlich angsteinflößender Ort.“

 

QPR-Stadion an der Loftus Road

In der Loftus Road haben die Queens Park Rangers ihr Fußballstadion. Johnny hat eine Saisonkarte und ist seit frühester Kindheit glühender Fan. Da er in eine Familie von treuen Rangers-Enthusiasten hineingeboren wurde, suchte er sich nicht QPR aus. Es war umgekehrt! „Mein Vater ist ein riesiger Fan. Die Mutter meiner Mutter wohnte rund 50 Meter vom Platz entfernt. Meine Eltern lernten sich kennen, weil mein Vater und seine Freunde von Ladbroke Grove ungebetene Gäste bei einer Party in dem Haus waren. Da traf er meine Mutter. Er stellte fest, dass ihr Vater genauso wie alle Brüder ein großer QPR-Fan war. Es war eine schicksalhafte Fügung. Mit dieser Corona-Pandemie fühlt es sich an, als wäre ich schon eine Ewigkeit nicht mehr bei einem Spiel gewesen. Dieser Rasen besitzt einen besonderen Platz in meinem Herzen.“

 

Gumball 3000

Und jetzt bin ich an der Reihe, Johnny etwas in seinem heißgeliebten West London zu zeigen. Vor Jahren arbeitete ich für die Gumball 3000-Rallye – ihre bedrohlich wirkende schwarze Zentrale hat ihren Sitz gleich neben der Westway, einer Hauptverkehrsader, die sich durch diese Gegend schlängelt. Gumball 3000-Gründer Maximillion Cooper ist leidenschaftlicher Kunstsammler, Autosammler und fördert mit großem Engagement kreative Talente. Nichts schien naheliegender, als ein Treffen zwischen Johnny und Maximillion und die Möglichkeit, dass sie gemeinsame Pläne schmieden könnten. Außerdem ist mir jede Ausrede recht, um durch diese beeindruckenden Büros voller Kunst und Sammelstücke zu spazieren. 

 

Kooperationen

Zu Johnnys jüngsten Auftragswerken gehören die exklusiven Mittelkonsolen des 60th Anniversary Jaguar E-Type. Die aufwändige Gravur zeigt die Route von Browns Lane nach Genf, die unternommen worden war, um die Autos beim Salon zu zeigen. Dieses Paar der Jaguar-Ikone ist natürlich nicht günstig – wer eine Arbeit von Johnny sein Eigen nennen möchte, ohne gleich Hunderttausende von Pfund zu investieren, kann entweder eine limitierte Edition von Dr. Martens-Schuhe und Stiefel erstehen, eine Casio G-Shock und als neueste Partnerschaft Kopfhörer von Master & Dynamics. 

Wie sieht es denn mit zukünftigen Kooperationen aus? „Nike. Ich würde wahnsinnig gerne etwas mit dieser Marke machen, denn ich bin mehr oder weniger in ihren Sneakers aufgewachsen. Vielleicht auch New Balance. Ich liebe Porsche. Es wäre traumhaft, mit ihnen so wie Daniel Arsham zusammenzuarbeiten. Rolls-Royce ist auch so eine coole Marke und diese Autos bieten viele Möglichkeiten. Ich würde auch gerne wieder mit Jaguar arbeiten oder mir etwas mit Land Rover ausdenken. Ich liebe den neuen Defender. Das wäre eine Leinwand, die mich reizen würde. Und der absolute Wunschtraum wäre natürlich Louis Vuitton!“

Wie überall im Bereich des faszinierenden Kunsthandwerks kommt es darauf an, dass Expertise und Techniken weitergegeben werden und junge Menschen inspirieren, diese Berufe zu ergreifen. Macht sich Johnny Sorgen um die Zukunft seiner Kunst?

„Mir liegt es sehr am Herzen, dass Menschen das weiter erlernen. Ich weiß nicht, ob ich gerade die Zeit hätte, jemanden auszubilden. Aber als ich bei Purdey´s war, sagte ich ihnen: Wenn ihr wollt, dass ich jemanden unterweise, bevor mein Auftrag abgeschlossen ist, dann sorge ich hundertprozentig garantiert für eine Einführung. Es ist schon merkwürdig, man sagt mir immer wieder, dass meine Metallarbeit eine aussterbende Kunst darstellt. Aber es gab nie Millionen, die dieses Handwerk gepflegt haben, eher nur immer eine Handvoll.

Mein Eindruck ist, dass mich heute mehr Leute danach fragen und wie sie selbst damit anfangen können. Es liegt an Instagram. Man fragt mich: Wie hast du das gelernt? Oder: Was brauche ich, um das auch erlernen zu können?“

Deine Münzen sind erstaunlich und du hast sie für einige sehr prominente Menschen wie Elton John und Paul Smith gefertigt. Wirst du weiterhin solche Aufträge annehmen?

„Eine meiner Münzen werden wir in ein NFT verwandeln. Sie heißt Tulip Mania. Hast du von der Die Wirtschaft stand Kopf, weil alle Tulpen haben wollten. Ich glaube, was dann passierte, war, dass ein Landwirt erkannte, dass Tulpen auf seinem Boden wachsen konnten. Sie konnten also nicht so kostbar sein und solche Preise erzielen. Damit brach die Grundlage der Manie zusammen.

Man hat jetzt tatsächlich die aktuellen Anfänge der digitalen Non-Fungible Tokens mit diesem Wahnsinn verglichen. Wird dieser Trend auch so einen kollektiven Wahnsinn auslösen, bei dem Unsummen für diese NFT investiert werden, um dann in einen Crash zu münden?

So, meine Münze dreht sich um dieses Phänomen. Ich graviere eine Münze mit diesen Tulpen, aber wenn sie erblühen, gibt es daraus ein ETH-Logo, dann verblühen sie und die Blätter bleiben übrig. Dann fängt alles wieder von vorne an. Ich habe das schon mit der Währung gemacht – was eine interessante historische Verbindung herstellt.“

Freuen Sie sich auf neue Arbeiten von King Nerd, aber leider dürfen wir noch nichts verraten. Falls Sie sich gefragt haben, was es mit diesem Künstlernamen auf sich hat: Sein Spitzname aus der Kindheit verbindet das Alte mit „King“ und das Neue mit „Nerd“. Klassische Handwerkskunst, die durch moderne, innovative Stücke belebt wird. Wir verbeugen uns, King Nerd!

 

Fotos: Tom Shaxson © 2021